Predigt zu Küster-Abschied und -Einführung vom
30. Oktober 2016
Freundliche Türsteher Pastor Andreas Kern
Freundliche Türsteher heißt dieser Gottesdienst. Freundliche Türsteher?
An der Pforte des Paradieses steht ein Engel. Er verwehrt den Menschen den Zugang. Stelle ich mir den Engel als freundlichen Türsteher vor?
Oder so:
Nachts stehen sie vor den Türen von Clubs. Sie machen die Gesichts-Kontrolle, bei der ich wohl nicht bestehen würde – also versuche ich es gar nicht erst. Sie dämpfen die Aggressionen alkoholisierter junger Menschen. Komische Engel sind sie – mit Bodybuilder-Figuren.
Oder noch mal anders:
An der Tür zum leeren Grab steht ein Engel: „Den ihr sucht, er ist nicht hier – er ist auferstanden!“ Stelle ich mir den Engel als freundlichen Türsteher vor?
Wächter sind sie, die Türsteher, Ordner und Anleiter. Sie sind keine Grüß-Augusts, sondern haben die Engels-Funktion, die Erwählten hereinzubitten und die Nicht-Erwählten abzuweisen. Sie wissen um das Draußen und Drinnen, sie bewahren den Garten oder das Haus, sie geben den Dingen und den Menschen Sicherheit.
Türsteher, das sind Weg-Öffner und Weg-Versperrer. Sie regeln den Eingang und den Ausgang. Sie heißen Willkommen, sie bewahren die Ordnung im Haus oder im Garten – und sogar im Paradies?
Türsteher sehen wir auch tagsüber vor dem sehr exklusiven Ladengeschäft. Sie sind ein Symbol für die Wichtigkeit des Ortes, des Geschäftes, auch ein Zeichen für Beziehung des Hausherren zu den Gästen und Besuchern, den Kunden. Solche Türsteher machen den Gastgeber wichtig – und den Gast! Denn Türsteher machen deutlich: da kümmert sich der Hausherr um das Anwesen – nicht persönlich, sondern eben durch diese Beauftragten. Und er kümmert sich um die Besucher, die als Gäste willkommen geheißen werden, denen als Kunden die Tür geöffnet wird, oder die als Freunde des Hausherrn mit Namen angesprochen und begrüßt werden, bevor sie ihm begegnen.
Freundliche Türsteher stehen heute im Mittelpunkt unseres Gottesdienstes. Einen verabschieden wir nach 20 Jahren dieses Dienstes, den anderen führen wir offiziell ein seinen Dienst. Diese Türsteher – heute haben wir sie gemeinsam an der Kirchen-Tür erlebt: Sie sind die Wächter unserer Kirche, die für das Gebäude aus Stein und Technik zuständig sind – aber eben auch mit-zuständig für das Gebäude aus Menschen: Erich Senkbeil und Olaf Schampel, die freundlichsten Türsteher, die ich je kennengelernt habe.
Ihr Amt ist das des Küsters. Das lateinische „Custos“ heißt zunächst einfach „Wächter“, hat aber auch schon all die anderen Facetten: Der Wächter ist auch Beschützer, Bewahrer, dann auch Mentor, also Anleiter, Aufseher und Koordinator bei Veranstaltungen. Der Wächter des Hauses und des Anwesens ist also auch der Wächter der Gemeinschaft, er gibt ihr Sicherheit und Schutz.
Nun wird es bei uns selten vorkommen, dass der Wächter, der Küster, einen Besucher abweisen muss. Die Gesichts-Kontrolle ist bei uns ja nicht so scharf, eigentlich darf jeder rein (jedenfalls jeder, der sich halbwegs zu benehmen weiß).
Vielleicht sind unsere freundlichen Türsteher am besten mit diesen ab und zu anzutreffenden Küstern vor sehr exklusiven Geschäften zu vergleichen. Deswegen, weil sie uns den Zugang zu einem unbezahlbar wertvollen Erleben zeigen und ermöglichen: der Gemeinschaft in Gottes Haus. Deswegen, weil sie sich in den Dienst eines Gastgebers stellen, der seinen Gästen und Besuchern mit ganz großer Wertschätzung entgegentritt, der sie sehr exklusiv behandelt: Er läd sie an seinen Tisch, er schenkt ihnen voll ein! Und: Er wird einer von ihnen, er lässt sich in ihre Sorgen und Nöte verwickeln, er erleidet ihren Schmerz, er stirbt sogar ihren Tod – kaum zu glauben!
Den Zugang zu diesem Gastgeber, die Ehrerbietung, die er seinen Gästen, also uns, entgegenbringt, der geschieht immer durch den aufmerksamen und sehr zugewandten Blick dieser freundlichen Türsteher! Sie leihen dem Gastgeber ihre Augen und Ohren, und natürlich auch ihre Hände, wenn sie Türen öffnen und Lichter anmachen, aber vor allem leihen sie ihm ihre Aufmerksamkeit für die ankommenden Gäste. Sie sind die ersten, die mit den Besuchern Kontakt aufnehmen, kennen viele von ihnen mit Namen, nehmen – auch das eine Gastgeber-Funktion – teil an ihren lichten und dunklen Erlebnissen, an Freude und am Leiden.
Das ist alles andere als selbstverständlich, liebe Gemeinde, auch wenn wir das hier mindestens jeden Sonntag wiederholen und es uns ganz geläufig erscheint!
Um so mehr freuen wir uns, dass wir so überaus freundliche Türsteher haben! Erich Senkbeil strahlt mich nun seit 2 Jahrzehnten an, wenn ich in die Kirche komme oder ins Gemeindehaus. Und Olaf Schampel steht ihm da kein bisschen nach: Er kann das auch! Die freundliche Erst-Begegnung an der Tür – sie öffnet Ohren und Münder und Herzen, für freundliche und ermutigende Worte, für eine Gemeinschaft auf Zeit und für Gottes lebendigen Geist. Dafür den freundlichen Türstehern zu danken ist selbstverständlich.
Sie sind Beziehungs-Bereiter und Beziehungs-Pfleger, auf einem ganz speziellen Level, den die Pastoren und die Kirchenvorsteher vielleicht auch möchten, der ihnen aber doch verwehrt bliebt. Bei uns Pfarramts-Inhabern ist immer ein bisschen Amts-Bonus oder -Malus in der Beziehung drin – davon sind die Türsteher völlig frei. Und die Verantwortung, die die Kirchenvorstands-Mitglieder tragen, ist in der Beziehung des Küsters zu den Gemeindegliedern nur in Spurenelementen enthalten. Sie begegnen den Gästen aus einem Winkel, den nur Küster einnehmen können – dem Türsteher-Winkel gewissermaßen.
Und noch etwas anderes finde ich interessant zu bedenken:
Die Weg-Versperrer-Funktion des Türstehers – ist sie nicht manchmal auch hilfreich? Dass mich jemand daran hindert, den einfachen Weg der Ausflucht zu nehmen: Brauche ich das nicht manchmal? Dass sich jemand mir in den Weg stellt und mein Durchmogeln stoppt, das Durchwurschteln beendet – ist das nicht auch eine tolle Aufgabe? Das ist die Engel-Funktion der Türsteher, mit der sie mir andere, ganz großartige Auswege eröffnen. Bei Erich Senkbeil habe ich das ein- oder zweimal erlebt.
Ich weiß nicht, ob die Küster, die wir heute hier in den Mittelpunkt stellen, diese Breite ihres Amtes jemals wirklich einsetzen mussten oder müssen. Aber mir wird klar, wie wichtig diese Wächter- und Engels-Position ist im Miteinander der Menschen, der Gemeinschaft, des Lebens. Küster – Türsteher – Engel: Eine tolle Rolle im Reich Gottes! Wir danken dem einen, der sie so lange innegehabt hat, und wünschen dem anderen Kraft für diesen Dienst.
Uns allen wünsche ich, dass wir sie genießen, die freundliche Begrüßung und das Kümmern um die Stätte unserer Begegnung. Und ich wünsche uns, dass wir jeder mal der Wächter und Türsteher sein können für die Menschen in der Familie, im Freundeskreis, in der Nachbarschaft, in der Firma. Unser Gott freut sich über diese Dienste, die wir aneinander tun, da bin ich ganz sicher! Und er ist mit seinem Segen um uns – alle unsere Tage.
Amen.