Predigt über Epheser 4,22-32
vom 26. Oktober 2014
Zieht einen Neuen Menschen an!
Pastor Andreas Kern
22 Legt von euch ab den alten Menschen mit seinem früheren Wandel, der sich durch trügerische Begierden zugrunde richtet. 23 Erneuert euch aber in eurem Geist und Sinn 24 und zieht den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit. 25 Darum legt die Lüge ab und redet die Wahrheit, ein jeder mit seinem Nächsten, weil wir untereinander Glieder sind. 26 Zürnt ihr, so sündigt nicht; lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen 27 und gebt nicht Raum dem Teufel. 28 Wer gestohlen hat, der stehle nicht mehr, sondern arbeite und schaffe mit eigenen Händen das nötige Gut, damit er dem Bedürftigen abgeben kann. 29 Lasst kein faules Geschwätz aus eurem Mund gehen, sondern redet, was gut ist, was erbaut und was notwendig ist, damit es Segen bringe denen, die es hören. 30 Und betrübt nicht den Heiligen Geist Gottes, mit dem ihr versiegelt seid für den Tag der Erlösung. 31 Alle Bitterkeit und Grimm und Zorn und Geschrei und Lästerung seien fern von euch samt aller Bosheit. 32 Seid aber untereinander freundlich und herzlich und vergebt einer dem andern, wie auch Gott euch vergeben hat in Christus.
Liebe große Gemeinde,
wir taufen ein Kind, einen Menschen ganz am Anfang. Viel Erwartung, vielleicht auch ein bisschen Bammel, aber auch ganz viel Hoffnung ist damit verbunden. Ein Leben, das sich erst noch entfalten will, das wir fördern und begleiten wollen, mit Anleitung, mit Hilfe, mit ganz viel Liebe – und mit unseren guten Gedanken und Gebeten. Wir nehmen Familie J. und ihre Tochter Luisa in unsere Mitte und erbitten für sie den Segen unseres Gottes.
Und Familie G. nehmen wir auch in unsere Mitte. Auch wenn die Situation eine ganz andere ist, sitzen sie genauso aufgeregt hier und fragen sich: Wie wird das jetzt werden? Wenn der Ehemann und Vater sein prominentes Bürgermeister-Amt hinter sich hat, Privatmann wird? Da wird ganz vieles sein, für das Sie danken können und wollen, und dann wollen wir auch mit ihnen um Gottes Segen bitten.
Ich denke, dass die Zeilen aus dem Brief des Paulus an die Gemeinde in Ephesus zu diesen beiden Situationen passen. Vor allem diese finde ich toll: „Legt von euch ab den alten Menschen und zieht den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Herrlichkeit.“
Ich trage als Amtstracht meinen Talar. Sie alle haben sich sonntäglich fein gemacht. Kleider machen Leute, das haben wir ja immer schon gewusst. Wenige von uns zeigen sich gerne nackt, und das ist ja ab einem bestimmten Alter auch nicht mehr so attraktiv – ich denke so ab 4 oder 5 Jahre.
Und nun schreibt Paulus: „Legt von euch ab den alten Menschen und zieht den neuen Menschen an.“ Was er damit wohl meint?
Paulus meint, dass wir uns als getaufte Christenmenschen gewissermaßen „umziehen“: Wir ziehen die schmutzigen Sachen aus, die im Lebenskampf „Jeder gegen Jeden“ so manchen Spritzer abbekommen haben, und ziehen saubere, reingewaschene Haltungen an.
Die Taufe ist das Symbol dafür. Bei der Taufe legen wir tatsächlich den alten Menschen ab und ziehen einen neuen Menschen an. Der alte Mensch – manchmal sagen wir auch mit Luther: der alte Adam – ist der, der sich selbst behaupten will, der sich selbst in den Mittelpunkt stellt, der sich selbst toll und wichtig findet. Der hat es schwer mit Gott. Weil er nicht vertrauen kann. Weil er der Verbindung zwischen Mensch und Mensch nicht traut, und der Verbindung zwischen Gott und Mensch auch nicht. Der alte Mensch ist der, der verbiestert sein eigenes Ding macht, dabei Schaden an sich selbst nimmt und auch Schaden in seiner Umgebung anrichtet – ja: auch wenn dieses „Sein-Ding-Machen“ heutzutage als die reine Form der Selbst-Verwirklichung angesehen wird, ist das doch auch immer furchtbar armselig. Dieser alte Mensch wird in der Taufe gewissermaßen ertränkt, weggewaschen, fortgespült.
Und ein neuer Mensch wird genährt, wird mit dem Wasser der Taufe bewässert, auf dass er sprieße und wachse, gedeihe und sich entfalte. Der neue Mensch, das ist der, der sich geborgen weiß in der Liebe Gottes und der Menschen, der sich kümmert um die Beziehungen zu beiden Seiten, zu Gott und den Menschen, der weiß, dass er sein Leben und seine Tatkraft als Geschenke bekommen hat, der auch weiß, was ihn hält und trägt. Der eine Ahnung hat von Sinn und Ziel seiner Existenz und daraus Hoffnung und Kraft schöpft.
Diesem neuen Menschen, der da in der Taufe hervorgehoben wird, dem wird es dann auch nicht schwer fallen, die Aufforderungen und Ermahnungen zu befolgen – eigentlich sind es Anregungen –, die Paulus den Christen in Ephesus schreibt:
Nicht Lügen – sondern die Wahrheit sagen! Jeder mit den Menschen, mit denen er zu tun hat und verbunden ist – weil wir zusammengehören. (Epheser 4 Vers 25)
Nicht im Zorn ausflippen und die Wut pflegen, sondern die Verbindung aufrecht erhalten, das Verbindende suchen, den Konflikt besänftigen und dann auch den Nachtschlaf genießen können – ist auch viel gesünder! (26)
Nicht schummeln und nur den eigenen Vorteil suchen, sondern ordentliche Arbeit tun – und denen, die das brauchen, Hilfe geben! (28)
Nicht böse Worte und unflätiges Geschimpfe äußern, sondern freundlich reden, Verbindliches aussprechen, Verbindungen pflegen – das tut denen gut, die es hören! (29)
„Alle Bitterkeit und Grimm und Zorn und Geschrei und Lästerung seien fern von euch samt aller Bosheit. Sondern seid untereinander freundlich und herzlich und vergebt einer dem andern, wie auch Gott euch vergeben hat in Christus.“ (31 und 32)
Der kleinen Luisa wünschen wir, dass sie das lernt und dann selbst erfährt: „Legt von euch ab den alten Menschen und zieht den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Herrlichkeit.“
Deswegen ziehen wir manchmal den Täuflingen ein helles Kleidungsstück an, mit dem wir dieses Symbol noch einmal deutlich machen. Sie sollen von der Liebe Gottes und der Zuwendung von uns Menschen umhüllt sein – und dabei lernen, wie das funktioniert, ein „neuer Mensch“ zu sein – und wie gut es sich anfühlt!
Aber auch wir Erwachsene können und sollen uns daran immer wieder erinnern, dass wir nach unserer Taufe als „neue Menschen“ leben. Dazu können wir die Paulus-Sätze auch noch einmal in unsere Bereiche übersetzen: „Lasst kein faules Geschwätz aus eurem Mund gehen, sondern redet, was gut ist, was erbaut und was notwendig ist, damit es Segen bringe denen, die es hören.“
Es gehört ja anscheinend zum politischen Gehabe, in der Öffentlichkeit mit rechthaberischer Pose aufzutreten und über die Pläne und Äußerungen der jeweiligen politischen Gegner mit Zuspitzungen und Vereinfachungen herzuziehen, ihnen auch unlautere Absichten und Selbstbedienung zu unterstellen. Dieser Stil wird natürlich auch von den Medien befördert, die Erregung und Aufmerksamkeit wichtiger finden als seriöse Information, und die mit der Darstellung komplexer Sachverhalte überfordert sind – oder Angst haben davor, den Leser oder Zuschauer zu überfordern und ihn also lieber verdummen als aufklären. Ich finde das – wie wohl die Mehrheit der Wähler und vor allem die große Zahl der Nicht-Mehr-Wähler – abstoßend und peinlich. Da kommt schrecklich viel „alter Mensch“ zum Vorschein. Ich habe deswegen die größte Hochachtung vor denen, die sich in dieser Stimmungslage in öffentliche Ämter wählen lassen.
Sie, liebe Ratsmitglieder und in der Politik Tätige, übernehmen Verantwortung für unsere Stadt. Darf ich mir was wünschen? Nicht inhaltlich, sondern formal, gewissermaßen: stilistisch?
Versuchen Sie doch, auch bei der nötigen politischen Auseinandersetzung diese Paulus-Anregungen zu beherzigen: „Legt von euch ab den alten Menschen und zieht den neuen Menschen an.“
Ich weiß, dass wir oftmals gegensätzliche Absichten haben und jedenfalls unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Ich weiß auch, dass das Wochenblatt lieber über Kloppereien schreibt als schwierige Probleme zu erklären.
Aber die Haupt-Aufgabe für die Zukunft unserer Gemeinschaft ist es doch, dass wir den schwindenden Zusammenhalt zwischen uns Menschen bewahren! Wir müssen doch viel achtsamer umgehen mit dem, was uns verbindet! Viel mehr pflegen, was uns eint – und das nicht nur in Feierstunden oder in der Kirche, sondern im täglichen Handeln und Verhandeln.
Deswegen geht es doch nicht an, dass wir die vielen kleinen Keile, die da zwischen Interessengruppen bestehen, durch immer größere Keile ersetzen und die dann immer fester einschlagen durch starke Worte und geschicktes Taktieren. Sondern stattdessen Grenzen überwinden, Trennendes abbauen, die unterschiedlichen Haltungen und Erfahrungen als großen Schatz betrachten, für Kompromisse werben – und auch uns selbst mal etwas zumuten.
Ich würde mich freuen, wenn wir Fortschritt auch mal in diesem Sinne verstehen und gut finden könnten. Und ich bin ganz sicher, dass der liebe Gott das gut findet!
Lassen Sie uns das gemeinsam versuchen! Und uns dazu besinnen auf das, was uns trägt und hält durch alle Zeit und Ewigkeit: die Liebe unseres Gottes, die größer ist als alle unsere Vernunft. Sie bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus.
Amen.