Jeremia 29

Predigt über Psalm 100 vom 23. September 2018
70. Posaunenchor-Jubiläum
(Pastor Andreas Kern)

Predigt I

Was tun Menschen, wenn sie sich richtig freuen? Ein Hund, der wedelt mit dem Schwanz und bellt aufgeregt; Kälber gallopieren mit Luftsprüngen über die Weide; Pferde wiehern, Schweine sollen ihr eigenes Freuden-Grunzen haben, heißt es.

Und wir Menschen? Auch wir tanzen und springen, wir werden laut – aber vor allem: Wir singen! Und wir spielen Musik! Und wir erhöhen unsere Freude noch zusätzlich durch den Genuss des gemeinsamen Singens oder Blasens, des gemeinsamen Einatmens und Ton-Gebens, des Einstimmens in die Freude der Menschen neben uns.

Das gilt vom Kindergeburtstag über die Kirche mit ihrem Gotteslob bis zum Fußball-Stadion mit seinen Fan-Gesängen.

Jauchzet dem Herrn, alle Welt! Dienet dem Herrn mit Freuden, kommt vor sein Angesicht mit Frohlocken! Erkennet, dass der Herr Gott ist!

So klingt Psalm 100 – nur: In der Bibel – da stehen keine Noten...

Wurde also damals nicht gesungen? Doch, bestimmt! Nur sind eben nur die Texte überliefert, die Noten sind entweder nicht aufgeschrieben gewesen oder sind verloren gegangen. Aber gesungen wurde, es wurde sogar gejauchzt vor Freude! Und deswegen kann ein Psalm die Freude von uns Menschen an Gottes Liebe und Zuwendung mit solchen Begriffen ausdrücken, die ein ganz ausgelassenes und unbefangenes Ausflippen ausdrückt: Jauchzen...

Jauchzet dem Herrn, alle Welt! Dienet dem Herrn mit Freuden, kommt vor sein Angesicht mit Frohlocken! Erkennet, dass der Herr Gott ist! Er hat uns gemacht und nicht wir selbst zu seinem Volk und zu Schafen seiner Weide.

Wenn die Bläser uns das gleich spielen, dann stimmen wir natürlich innerlich mit ein – bitte nicht so laut mitsingen, dass die Bläser nicht mehr zu hören sind!

Aber dann merken wir auch: Sie laden uns ein, die Posauenchor-Bläser, es ihnen gleichzutun: Dienet dem Herrn mit Freuden!

Denn Sie, liebe Bläser, machen das ja tatsächlich seit 70 Jahren: Sie dienen dem Herrn - mit Freuden! Das hört man ihrem Spiel an! Der Rhythmus, der Schwung, die prickelnde Folge von Dissonanz und Harmonie, die Linien von tiefen und hohen Stimmen, die sich umeinander winden und elegant miteinander spielen – wie Tänzer eines Formations-Tanzes, wie ein Schwarm von Fischen oder Vögeln.

Und das andere machen Sie auch – und laden uns damit ein: Kommt vor sein Angesicht mit Frohlocken! Zum Spaß an der Musik zu musizieren ist schon gut, das erfüllt und macht schon viel Freude – ich tue das im Sinfonie-Orchester. Aber das zu tun, um Menschen einzuladen zu Gott, ihm zu begegnen, der uns so wunderbar behütet und schützt – das ist Grund zum Frohlocken!

Dadurch entsteht die Verbindung zwischen Gott und Mensch: Er hat uns gemacht und nicht wir selbst zu seinem Volk und zu Schafen seiner Weide. Er hat uns gesucht und gefunden! Nicht unsere Mühe bringt uns ihm nahe, sondern seine Liebe und seine Gnade, mit der er uns annimmt – immer wieder. Wer das spürt und begreift, wer erkennt, dass der Herr Gott ist, der wird das sofort befolgen: Jauchzet! Frohlocket!

In der Bibel stehen keine Noten. Das ist schade – einerseits. Und andererseits lässt es uns immer wieder neue Töne und Melodien und Rhythmen finden, in denen wir das Lob Gottes und unsere Freude daran ausdrücken. Sie haben vermutlich den Kopf voll davon. Und so wollen wir gerne hören, wie Felix Mendelssohn Bartholdy Psalm 100 vertont hat:

Jauchzet dem Herrn, alle Welt! Dienet dem Herrn mit Freuden, kommt vor sein Angesicht mit Frohlocken! Erkennet, dass der Herr Gott ist! Er hat uns gemacht und nicht wir selbst zu seinem Volk und zu Schafen seiner Weide.

[Posaunenchor St. Paulus und Gäste spielen F. Mendelssohn Bartholdy: Jauchzet dem Herrn, alle Welt - Psalm 100,1-3]

Predigt II

Eine feierliche Tanz-Prozession stelle ich mir vor, wenn diese Musik erklingt. Sie ist eine musikalische Einladung zur Hingabe: Hingabe an den, der für mich einsteht, egal, wie ich draufbin. Hingabe an den, der mir seine Tür und sein Herz öffnet, auch wenn ich mich dessen bei genauer Betrachtung (aus Menschen-Sicht, wohl gemerkt!) nicht wirklich würdig zeige. Seine Sicht auf mich muss eine komplett andere sein – darüber gleich mehr.

Aber allein das, dass ich nämlich eingeladen bin und kommen darf, eintreten darf zu ihm, das lässt mein Herz höher schlagen. Und dann läuft der Mund über davon, wovon mein Herz so erfüllt ist, und ich muss es hinaussingen, muss meinen Lobpreis in die Umgebung rufen: Der Name des Herrn sei gelobt! Selig, wer das empfinden und glauben kann!

Gehet zu seinen Toren ein mit Danken, / zu seinen Vorhöfen mit Loben; danket ihm, lobet seinen Namen!

[8 Solisten aus den Posauanenchören spielen F. Mendelssohn Bartholdy: Jauchzet dem Herrn, alle Welt - Psalm 100,4]

Predigt III

Da guckt einer auf mich – mit seinen Augen, die wohl etwas ganz anderes sehen als unsere Menschen-Augen. Und er kommt beim Blick auf mich, auf uns, zu einem Schluss. Er beschließt: Dieser Mensch ist mein Freund.

Merkwürdig ist das schon. Denn ich bin ja nicht immer freundlich. Ich habe ganz grantige Seiten. Ich spiele, um es wieder einmal musikalisch auszudrücken, öfter mal falsche Töne, oder ich verpasse den Einsatz, wenn ich gebraucht werde, oder ich pruste mitten in die großartige Stille rein und zerstöre die Spannung der Pause (aus der die Musik ja eben auch besteht).

Aber Gott guckt auf mich, auf uns – und blickt freundlich auf das, was er da sieht. Das ist das Zeichen und Wunder, von dem wir erzählen, liebe Gemeinde! Das ist das Unglaubliche: Unser Gott findet uns vielleicht nicht so toll – und gewährt uns dennoch seine Gnade, immer, überall: ewig – so heißt es in Psalm 100!

Diese besondere Wahrheit hält mich, hält uns alle am Leben. Selig wir alle, die wir diese Gnade empfangen!

Und denen von uns, die das musikalisch ausdrücken können, ist dazu noch zusätzlich etwas Schönes geschenkt: das Miteinander-Etwas-Zurückgeben an ihn, unseren Gott, und seine Menschen – und so sein Lob zu vermehren vor aller Welt.

Keine Noten in der Bibel? Macht nichts, wir singen und spielen trotzdem: Denn der Herr ist freundlich, / und seine Gnade währet ewig und seine Wahrheit für und für.

Amen.

[Posaunenchor St. Paulus und Gäste spielen F. Mendelssohn Bartholdy: Jauchzet dem Herrn, alle Welt - Psalm 100,5]