Studienzeit Pastor Nordmann
Zu den Errungenschaften unserer Landeskirche gehört, dass Pfarrpersonen nach einer bestimmten Zahl von Dienstjahren die Möglichkeit haben, eine dreimonatige Studienzeit mit einem selbstgewählten Projekt einzulegen.
Nach 29 Jahren Dienst habe ich eine solche Studienzeit beantragt und genehmigt bekommen.
Auf mein Projekt bin ich durch eine Beobachtung während der Pandemie gekommen: Ich war – bevor ich nach Buchholz kam – viele Jahre als Pastor in São Paulo/Brasilien tätig. Es gibt dort 10 Gemeinden unserer Partnerkirche und ich war in dreien davon tätig, kenne aber auch die anderen gut. Es sind Gemeinden, die sich selbst finanzieren. Kirchensteuer gibt es nicht, Zuschüsse von außen, wenn überhaupt, nur sporadisch. Die Gemeinden erbitten Beiträge von ihren Mitgliedern, müssen aber, weil diese nie ausreichen, zusätzliche Einnahmen auf verschiedene, kreative Weisen generieren. So werden viele Aktionen initiiert und Feste gefeiert.
In meiner letzten Zeit als Pastor zweier kleiner Gemeinden begleitete ich z. B. 11 Gemeindefeste pro Jahr. Das Ganze funktionierte auch durchaus leidlich – in normalen Zeiten. Als nun die Pandemie ausbrach und diese Gemeinden über viele Monate hindurch keine Präsenzgottesdienste und Veranstaltungen durchführen konnten, befürchtete ich, dass so manche Lichter ausgehen und Kolleginnen gezwungenen sein würden, sich neue Gemeinden zu suchen.
Jetzt ist diese Zeit vorerst Geschichte und ich bin überrascht von der Resilienz der Gemeinden. Kein Licht ist ausgegangen und niemand musste weggehen.
Wie haben die das hinbekommen? Welche alternativen Wege sind sie gegangen? Welche Lehren haben sie daraus gezogen? Diesen und anderen Fragen möchte ich gerne vor Ort nachgehen. Das interessiert mich sehr! Ich möchte dazu alle 10 Gemeinden besuchen und Kolleginnen und Ehrenamtliche interviewen. Ich verspreche mir durchaus Erkenntnisse zu dem sensiblen Thema Kirche und Geld.
Ab September habe ich drei Monate Zeit, meinem Projekt nachzugehen. Ich freue mich sehr darauf und werde nach meiner Rückkehr gerne davon berichten.
Wilhelm Nordmann